Wer ist gerade im Ballbesitz?


Ballbesitz und das Team-Time-out

Wir haben bereits in einem älteren Regelwerk-Blog erörtert, dass die Gewährung eines Team-Time-outs nur dann möglich ist, wenn der Antragsteller den Ballbesitz nicht verliert, bevor der Zeitnehmer pfeifen kann.

Somit stellt sich die regeltechnisch wichtige Frage: Wann befindet ist eine Mannschaft (noch) im Ballbesitz?

Grundsätzlich ist die Mannschaft im Ballbesitz, die gerade den Ball unter Kontrolle hat oder einem im Spiel befindlichen Ball zuletzt unter Kontrolle hatte. Ein Ball ist  dann unter Kontrolle, wenn er von einem Spieler unter Kontrolle gehalten wird oder von einem Spieler kontrolliert geprellt wird. 

Weiters befindet sich eine Mannschaft im Ballbesitz, im Falle eines ihr zugesprochenen Wurfes (z.B Abwurf, Freiwurf, etc.).

 

Mit nachfolgenden drei Spielsituationen werden Teile des aktuellen Regelwerks im Zusammenhang mit dem Ballbesitz und angefordertem Team-Time-Out erklärt. Das Beispiel 3 ist - hoffentlich - für alle Leser besonders interessant.  

 

Beispiel 1

Spieler A5 wirft auf das gegnerische Tor. Der Ball wird vom Spieler B3 zwar geblockt, der Ball setzt aber weiterhin seine Flugbahn Richtung Tor fort. Als sich der Ball über den Torraum vom Team B befindet unterbricht der Zeitnehmer das Spiel und zeigt an, das Mannschaft A ein TTO beantragt hat.

 

Lösung: Durch das Blocken des Balles wird keine Ballkontrolle erlangt, daher ist die Mannschaft im Ballbesitz, die den Ball zuletzt unter Kontrolle hatte  (Werfer A5). Die Schiedsrichter bestätigen das Team-Time-out. 

 

Beispiel 2

Nach einem Torwurf von A7, wehrt der Tormann B1 der Ball so ab, dass sich dieser springend im Torraum Richtung Spielfeld bewegt. Auf der 6 Meter Linie befindet sich der Spieler B6. Kurz bevor der Spieler B6 den Ball fangen will, unterbricht der Zeitnehmer das Spiel, da der Offizielle C der Mannschaft A das Team-Time-Out beantragt hat.

 

Lösung: Durch die Abwehraktion des Tormannes wurde der Ball nicht unter Kontrolle gebracht. Zum Zeitpunkt der Unterbrechung hatte die Mannschaft A zuletzt die Ballkontrolle (Werfer A7). Somit muss der Mannschaft A das beantragte Team-Time-Out gewährt werden.

 

Beispiel 3

Nach einem Torwurf von A3 und der Wurfabwehr vom Tormann B1 rollt der Ball im Torraum Richtung Spielfeld. Der Head-Coach von Mannschaft A hat das Team-Time-out kurz vor dem Torwurf von A7 beantragt. Der Zeitnehmer unterbricht das Spiel erst als der Ball im Torraum rollt.

 

Lösung: Im Gegensatz zum Beispiel 2 darf hier kein Team-Time-out gewährt werden, da die Mannschaft A zum Zeitpunkt der Spielunterbrechung durch den Zeitnehmer gemäß Regel 6:5 NICHT mehr im Ballbesitz ist.

 

Regel 6:5

Der im Torraum auf dem Boden rollende Ball bleibt „im Spiel“ und ist im Ballbesitz der Mannschaft des Torwarts.

 

Obwohl Mannschaft B nicht die tatsächliche Ballkontrolle erlangte, ist sie dennoch im Ballbesitz, da regeltechnisch (siehe Regel 6:5) ein im Torraum rollender Ball nur vom Tormann der abwehrenden Mannschaft gespielt werden darf.

 

Die Mannschaft A wäre erst dann wieder im Ballbesitz, wenn ein Spieler der Mannschaft A neuerlich die Ballkontrolle erlangt oder der Ball z.B. die Seitenlinie überquert, ohne dass er vorher einen Spieler der Mannschaft A berührt hat (Einwurf für Mannschaft A).

 

Exkurs:

Theoretisch kann ab dem Zeitpunkt, in dem der Ball im Torraum der "abwehrenden" Mannschaft rollt, ein Team-Time-out durch die "abwehrende" Mannschaft beantragt werden.

Dabei ist aber zu beachten, dass ein Ball, der auch nur ein wenig im Torraum springt, noch immer im Ballbesitz der Mannschaft ist, die zuletzt im Ballbesitz war. Ob ein Ball rollt oder springt ist letztendlich eine Tatsachenentscheidung der Schiedsrichter.

 

Andrei Jusufhodzic für handballreferee.at

Andrei ist IHF/EHF Schiedsrichter und Vorsitzender

der Regel -und Schiedsrichterkommission in Wien.