Empty Goal /Zusätzlicher Spieler - das Spiel ohne Tormann

Diese Regeländerung aus dem Jahr 2016 hat unsere Sportart in den letzten Jahren spieltaktisch doch ein wenig verändert. Die Regeländerung gewährt nämlich den Mannschaften die Möglichkeit, den Tormann durch einen zusätzlichen Feldspieler zu ersetzen. 

 

Warum wurde diese Regeländerung eingeführt?

 

Bis zur Regeländerung haben viele Mannschaften, vor allem in Schlussphasen eines Spieles, den Tormann durch einen zusätzlichen, als Tormann markierten, Spieler ersetzt. Somit hatte die Mannschaften im Angriff einen Spieler mehr zur Verfügung.

 

Da die Regel vor der Regeländerung 2016 wie folgt lautete:

"(...) die Mannschaft muss während des gesamten Spielverlaufs einen Spieler auf der Spielfläche als Torwart kennzeichnen (...)"

 

mussten die Mannschaften das wohl bekannte "Überziehleibchen" verwenden, um einen zusätzlichen "Feldspieler" auf die Spielfläche schicken zu dürfen.

Die taktischen Möglichkeiten dieses zusätzlichen Spielers waren allerdings begrenzt, da dieser beim Torerfolg seiner Mannschaft oder beim Ballverlust die Spielfläche schnell verlassen musste, um den "Torspezialisten" (= den richtigen Tormann) wieder ins Spiel  zu bringen. Schaffte er den Spielerwechsel nicht rechtzeitig zu vollziehen, musste der markierte Spieler selbst ins Tor zurückkehren.

Daher war der zusätzliche Spieler in der Vergangenheit nur begrenzt einsetzbar. Dieser hatte selten das Risiko genommen selbst abzuschließen und konzentrierte sich während des Angriffes darauf, wie er die Spielfläche wieder schnell verlassen konnte. Somit war sein Einsatzradius am Spielfeld sehr begrenzt.

 

Die neue Regeländerung hat die Absicht dieses taktische Manko zu beseitigen. Nach der Regeländerung 2016 kann ein 7. Feldspieler (ohne "Überziehleibchen") eingesetzt werden. Nach dem Ballverlust oder Torerfolg kann jeder beliebige Feldspieler die Spielfläche verlassen, damit der "richtige" Tormann wieder schneller ins Spiel gebracht werden kann. Somit besteht die Möglichkeit, dass der am nächsten zur Auswechselzone befindliche Spieler den notwendigen Wechsel vornimmt.

 

Die Regeländerung im Wortlaut.

 

Die oben zitierte Regel wurde insofern geändert, dass der oben genannte Satz gestrichen wurde. Gleichzeitig wurde mit der folgenden Regeltextänderung klar gestellt, dass die Mannschaften weiterhin das "Überziehleibchen" verwenden dürfen.

 

"Ebenso kann ein als Torwart gekennzeichneter Feldspieler jederzeit die Position des Torwarts einnehmen ."

 

Somit steht den Mannschaften die taktische Möglichkeit offen, einen zusätzlichen Spieler ohne "Überziehleibchen" ins Spiel zu bringen oder die sichere Variante zu wählen und einen zusätzlichen Spieler mit Überziehleibchen (= Tormann) ins Spiel zu bringen. Nur ein Spieler mit "Überziehleibchen" darf auch den eigenen Torraum betreten und somit die Funktionen des Tormannes ausüben.

 

Die regeltechnischen Folgen mit zusätzlichem Spieler ohne Überziehleibchen.

 

Will die Mannschaft wieder einen Tormann ins Spiel bringen, muss einer der Feldspieler die Spielfläche verlassen, damit der Tormann die Spielfläche betreten darf. Die Mannschaften dürfen mit einem zusätzlichen Spieler auch in der Unterzahl spielen!

 

Wenn auf Abwurf für die Mannschaft ohne Tormann entschieden wird, muss die Mannschaft einen Tormann ins Spiel bringen, da ein Feldspieler kein Abwurf ausführen darf.

 

"Spielt die Mannschaft, die den Abwurf ausführen soll, ohne Torwart, muss sie einen Feldspieler gegen einen Torwart auswechseln."

 

Hier wird im Regeltext explizit darauf hingewiesen, dass die Schiedsrichter nach Ermessen entscheiden, ob für den Tormannwechsel ein Time-Out notwendig ist oder nicht. D.h., es besteht in dieser Situation keine Verpflichtung, ein Time-Out zu geben!

 

"Die Schiedsrichter entscheiden, ob ein Time-out notwendig ist."

 

Gleichzeitig ist aber in der Erläuterung 2 des Regelwerkes zu erkennen, dass die IHF zwar die Schiedsrichter nicht verpflichtet ein Time-Out zu geben, aber davon ausgeht, dass eine Time-Out-Gewährung durch die Schiedsrichter "eher" zu erwarten ist. Der Regeltext lautet nämlich:

 

"Einige typische Situationen, bei denen ein Time-out nicht verbindlich ist, aber unter normalen Umständen dennoch gewährt wird, sind:

(...)

e) Wechsel eines Feldspielers mit einem Torwart zur Ausführung des Abwurfs ."

 

Beispiel 1 (WHV-RSK Anweisung)

Team A spielt ohne Tormann. Nach einem missglückten Wurf von Team B auf das Tor von Team A entscheiden die Schiedsrichter auf Abwurf für Team A. Spieler A5 betritt den Torraum, nimmt den Ball und will den Abwurf ausführen.

 

Lösung: Die Schiedsrichter korrigieren den Abwurf und weisen darauf hin, dass ein Tormann eingewechselt werden muss. Ein Time-Out durch die Schiedsrichter ist optional und situationsbedingt zu entscheiden.

  

Achtung! Erhält die Mannschaft, die ohne Tormann spielt, ein Tor, darf jeder beliebige sich im Spielfeld befindliche Spieler den Ball aus dem Tor bzw. Torraum holen und z.B. zu einem sich im Anwurfsbereich befindlichen Spieler passen.

  

Was passiert, wenn ein Feldspieler den eigenen Torraum betritt?

 

 Die neue Regel besagt folgendes:

"Spielt eine Mannschaft ohne Torwart und verliert den Ball, ist ein Feldspieler dieser Mannschaft, der den eigenen Torraum mit dem Ziel betritt, sich einen Vorteil zu verschaffen, progressiv zu bestrafen. "

 

Beispiel 2

Team A spielt ohne Tormann. Spieler A5 schießt neben das Tor von Team B. Tormann B1 führt den Abwurf korrekt aus und spielt den Ball zum Spieler B4. Dieser wirft direkt auf das leere Tor von Team A. Spieler A7 betritt den eigenen Torraum um den Ball abzufangen und damit ein Tor zu verhindern.

 

Lösung: Spieler A7 ist progressiv zu bestrafen. Zusätzlich ist auf 7 Meter zu entscheiden, wenn die Schiedsrichter der Meinung sind, dass der Ball ohne das Eingreifen des Spielers B4 ins Tor gelangt wäre. 

 

7-Meter-Entscheidungen und das leere Tor.

(Um mehr über diese besonderen Situation zu erfahren, lese dir unseren Regelwerkblog "Das leere Tor und eine alte 7-Meter - Regel")

 

In Zusammenhang mit der Regeländerung "zusätzlicher Spieler" wird eine bereits bestehende Regel vermehrt ins Rampenlicht rücken. In der Erläuterung 6 (Definition einer "klaren Torgelegenheit") des Handballregelwerks ist folgender Regeltext zu finden:

 

"Nach Regel 14:1 handelt es sich um eine "klare Torgelegenheit", wenn:

a) (...)

b) (...)

c) ein Torwart seinen Torraum verlassen hat und ein Gegenspieler mit Ball-und Körperkontrolle eine klare ungehinderte Gelegenheit zum Wurf des Balles ins leere Tor hat."

 

Beispiel 3

Team A spielt ohne Tormann. Kreisspieler A7 wird an der der 6-Meter-Linie von Team B angespielt. Der Ball wird von Spieler B3 abgefangen. Spieler B3 passt zu Spieler B5, welcher sich ca. 25 Meter vom gegnerischen Tor entfernt befindet. 4 Spieler von Team A befinden sich zwar bereits in der eigenen Spielhälfte, aber der gerade eingewechselte Tormann A1 hat den Torraum noch nicht erreicht. Er befindet sich ca. 18 Meter von seinem Tor entfernt. Spieler B5 erkennt diese Situation und setzt zum Wurf auf das leere Tor an. In dem Moment wird Spieler B5 von Spieler A17 von vorne gefoult. Spieler A17 greift von vorne nach der Wurfhand von Spieler B5. B5 kann dadurch den Torwurf nicht ausführen.

 

Lösung: 7-Meter-Wurf und keine progressive Bestrafung von A17.

Spieler B5 hat die Situation erkannt und wollte auf das leere Tor werfen. Tormann A1 war noch nicht in seinem Torraum, daher Entscheidung auf 7-Meter-Wurf.

Nach den Kriterien der Regel 8 ist eine progressive Strafe für dieses Foul nicht notwendig.

 

Wichtig! Es kann nur dann auf 7-Meter-Wurf entschieden werden, wenn der Angreifer erkannt hat, dass das Tor leer ist und zum Wurf ansetzt. Wenn der Angreifer hingegen lediglich versucht, einen anderen Spieler anzuspielen, dann ist auf Freiwurf für die angreifende Mannschaft (im Beispiel Team B) zu entscheiden.

 

Direkter Freiwurf.

 

Wenn am Ende einer Halbzeit noch ein direkter Freiwurf ausgeführt werden soll und die abwehrende Mannschaft keinen Tormann oder markierten Feldspieler auf der Spielfläche hat, dann darf die abwehrende Mannschaft ausnahmsweise einen Spielerwechsel vornehmen.

 

Für Freiwurfausführungen (oder -wiederholungen) nach Regel 2:4 gelten besondere Anweisungen bezüglich der Aufstellung der Spieler und des Spielerwechsels. Abweichend von dem normalen Spielerwechsel gemäß Regel 4:4 darf die angreifende Mannschaft einen Spieler auswechseln, ebenso darf die abwehrende Mannschaft einen Feldspieler gegen einen Torwart auswechseln, wenn sie beim Ertönen des Schlusssignals ohne Torwart spielt.

 

Achtung! Ein markierter Feldspieler wird regeltechnisch ebenfalls als Tormann/Torwart betrachtet. Befinden sich am Ende einer Halbzeit ein markierter Feldspieler auf der Spielfläche, dann darf die abwehrende Mannschaft vor der Ausführung des direkten Freiwurfes keinen Spielerwechsel mehr vornehmen!

 

Zusammenfassung:

  • Die Mannschaften dürfen einen 7. Feldspieler ins Spiel bringen. Auch in der Unterzahl darf ein zusätzlicher Feldspieler ins Spiel gebracht werden. In beiden Situationen muss der Tormann die Spielfläche verlassen.
  • Die Mannschaften dürfen auch weiterhin die Option mit dem markierten Spieler (= mit "Überziehleibchen") wählen.
  • Der Abwurf muss weiterhin durch einen Tormann oder durch einen markierten Feldspieler ausgeführt werden. Befindet sich kein Tormann oder markierter Spieler am Spielfeld, dann muss ein Spielerwechsel vollzogen werden. Ein Time-Out durch die Schiedsrichter ist nicht verpflichtend.
  • Wenn das Tor leer ist, müssen die Schiedsrichter auf Vorteil für die gegnerische Mannschaft achten. 
  • Die Schiedsrichter müssen genau auf die Erläuterung 6 lit. c. achten und die klare Torgelegenheit richtig interpretieren. 
  • Beim direkten Freiwurf darf die abwehrende Mannschaft ausnahmsweise einen Spielerwechsel vornehmen, wenn sie keinen Tormann oder markierten Feldspieler auf der Spielfläche hat.